Das M’era Luna Festival 2016 - Sonne satt, Füße platt
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Kult-Open-Air in Ausgabe Nummer 17 für 25.000 Freunde der dunklen Musikszene am 12. & 13. August 2016 auf dem Flugplatzgelände in Hildesheim-Drispenstedt
Das M’era Luna Festival hat in der schwarzen Szene definitiv Kult-Status erreicht. Während andere in den Sommerurlaub mit Strand, Sonne, Cocktail und Liege fahren, fährt der andere Teil einfach zum Flugplatz Drispenstedt nach Hildesheim. Und noch besser: Dort gab es das auch alles . Und noch viel besser: Dabei konnte man entspannt, sich sonnend oder auch wild tanzend den Lieblingsbands live lauschen oder auch die ein oder andere Neuigkeit entdecken.
Fotos: Mandy Privenau
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Etwas anders als im Vorjahr war das Festivalgelände aufgeteilt. Aber das war alles kein Problem. Dank guter Ausschilderung, Plänen vom Außen- und Innengelände sowie einer eigenen Up-To-Date Festival App konnte man sich nur schwer verlaufen. Der Campingbereich und Parkplatz waren bereits am Freitag gut gefüllt, um schon einen Schlenker über die Shopping-Meile oder den Mittelaltermarkt zu machen oder um eine der im übrigen sehr gut besuchten Lesungen von Markus Heitz, Luci van Org und Christian von Aster zu lauschen.
Der Festival-Samstag
Wer die etwas holprige und stockende Anfahrt am Freitag-Abend überlebt hatte, konnte Samstag entspannt ausschlafen und sich zurechtputzen oder musste die Anreise eben am Vormittag noch über sich ergehen lassen. Parkplatz suchen, Zelt per Wurf in die Luft aufbauen, aufhübschen, Haare kämmen und nichts wie ab zum Gelände. Auf dem Weg dort hin kam man nicht darum herum, einen Blick auf die Händlermeile zu werfen: eigenes Festival-Merchandise, Ringelsöckchen in allen Farben, Gothic-Klamotte aus Lack und Leder, Boots, Schmuck oder ein Piercing für Kurzentschlossene als ganz persönliche eigene durchdringende Mitbringselei vom Festival. Da kann man nur hoffen, das hier die Nachsorge nicht zu kurz gekommen ist. Mit der Sonne und guter Laune im Gepäck standen viele bereits kurz nach dem Einlass stramm und fest vor dem Bühnengelände bereit. Harteingessene OOMPH!-Fans warteten ebenso auf ihre Helden und die Autogrammstunde um 13 Uhr. Wer jetzt noch keinen Sonnenhut oder eine Sonnenbrille hatte, konnte sich zum Glück vor Ort an einer großen Auswahl erfreuen. Ebenso dachten nette Leute in Rosa an den Schutz eines jeden Gehörgangs und gingen mit ihrem Bauchladen herum, um Gehörtschutz an das Ohr zu bringen.
11 Uhr fiel der Startschuss mit einem großen Bumms und die Band mit dem unaussprechlichen Namen Shaârghot eröffnete das Festival. Der Bandname ist eine “absurde und zynische Kreatur, die aus einem missglückten wissenschaftlichen Experiment entstand, kriecht aus seinem Keller, um seine aggressiven Melodien unter die Menschen zu bringen”. Wo die Aussprache misglückt, hilft in jedem Fall diese Erklärung weiter. Die verkleideten und beschmierten Herren (?) legten für diese frühe Stunde beharrlich hart und böse los. Mit Melone und Baseballschläger ausgestattet shaarghottete die Band noch jeden Verschlafenen wach. Wesentlich ruhiger fiel der Startschuss im Hangar mit Vlad in Tears. Die Band rockte und screamte mit etwas Weichspüler und passendem mystischen gothic-lila Licht die Zuschauerschaft, die für den heutigen Tag eher den kühlen Schatten bevorzugte. Kurz vor 12 Uhr strömten wesentlich mehr erwachte und aufgeputzte Menschen Richtung Bühne. Und zwar für die Band Erdling. Sofort gingen die Hände in die Luft und die Stimme wurde aufgewärmt. Das Modern-Metal-Gewitter brachte zum Glück keine Wolken, aber eine gute und mitreißende Mischung aus Gefühl, Melodie und harten Gitarrenriffs. Wer um diese Zeit keinen Dark-Rock vertragen hatte, war auf diesem Festival definitiv falsch. Ein Highlight bereits zum Mittag gab es mit A Life Divided im Hangar. Pommesgabel satt und ganz viel Euphorie ließ die überraschte und äußerst symphatisch dankbare Band fast erröten. Gitarrist Tony tanzte gewohnt verliebt mit seiner Gitarre, Sänger Jürgen Plangger wirkte wie ein Magnet auf das begeisterte Publikum. Und oben drauf kam, selbst überraschend für die Band, Sänger Ronan Harris für eine Cover-Version des VNV Nation Songs “Perpetual” auf die Bühne. M’era Luna – DAS Festival der Überraschungen und des Zusammenfindens.
Auf der Hauptbühne sorgten Gothminister und Stahlmann für Unterhaltung der metal-lastigen und härteren Art. Schwermütige “dark” Riffs, dunkle Stimmen und die passende Verkleidung konnten zum Glück nicht die Sonne vertreiben, aber das Publikum begeistern. Das stand zwar nicht durchgehen, gönnte sich dafür aber auch ein wohlverdientes Päuschen auf der staubigen und ausgetrockneten Wiese mit Blick zur Stage. Nicht nur eine optische Abwechslung brachte die Rock’n’Sad Crew Lacrimas Profundere, die seit einem Tag stolze Eltern ihres neuen Album-Babys “Hope Is Here” waren. Keine Verkleidung, kein Make-Up, einfach nur mitreißender Rock, der unter die Haut geht. Auch erfreulich: die sympathische Band hatte mit “Awake”, dem Titelsong “Hope Is Here”, “My Halo Ground” mitreißende neue Songs im Gepäck. Ein Moment der angenehmen Ruhe kam mit dem schönen Song “Black Moon”, der nur von Sänger Roberto an der Akustik-Gitarre und Basser Clea begleitet wurde. So hatten die beiden das von kontinuierlicher Lautstärke und ständigem “Hau-Drauf” ausgesetzte Publikum ganz schnell auf ihrer Seite.
Non-Stop-Air-Jumping gab es danach mit OOMPH!. Von der ersten bis zur letzten Reihe hüpfte die der Sonne ausgesetzte Masse, um mit ihrer Band zu Liedern wie “Labyrinth”, “Träumst du”, “Niemand” oder auch “Gekreuzigt” gnadenlos zu feiern. Laut, kontrovers, ehrlich und präsent ließen die Braunschweiger kaum eine Gelegenheit zum Ausruhen. Warum auch? Festival bedeutet schließlich eins: Musik satt. Im Hangar ging es mit Hämatom ähnlich neu-deutsch-hart weiter. Die Band lieferte hartes Gebretter für die Zuschauer, die viel Brett brauchen. Ganz im Trend mit schwarz-weißer Schminke und Masken schrie Sänger Nord “Wir sind Gott”. Großer Knall, Nebelwall. Ein intensives Erlebnis der besonderen Art. Auf der Main-Stage war es dann Zeit für die Faszination Diary Of Dreams. So düster und “very dark” kam bei hellem Sonnenschein und hübschen Wolken nicht wirklich eine ausgelassene Stimmung auf. Vielleicht war die Band für diese Uhrzeit und das schöne Wetter einen Ticken zu düster. Ein euphorisches Publikum sieht in jedem Fall anders aus. Gut gelaunt dagegen wurden die netten Finnen von Apocalyptica empfangen. Virtuos über die Bühne mit ihren Cellos schwebend, brachten die Drei die Meute zum Aufwachen und Headbangen. Was wäre ein Sommerfestival auch ohne ein paar Finnen? Sicherlich kein vollständiges. Mit sympathischen Ansagen in Deutsch “Wir sind Apocalyptica aus Finnland” und Fingern, die die Saiten des Cellos unfassbar schnell hoch und runter wanderten und natürlich dem ein oder anderen Metallica Klassiker ließen Apocalyptica kein Kopf unbewegt.
Danach besetzte die Szene-Größe Lacrimosa mit Schwermut und ihrer Poesie die Hauptbühne. Mit ihrer dramatisch epischen Darbietung paralysierten sie regelrecht das Publikum, das eher verhalten wirkte. Still kopfnickend lauschte man Klassikern wie “Der Morgen danach”, “Alleine zu zweit” oder “Irgendein Arsch ist immer unterwegs” bei wunderschönem Sonnenuntergang. Ganz elektronisch dagegen sorgten VNV Nation und Hocico unter anderem für Stimmung unter den Anhängern von einschlagendem Electro, Industrial und EBM. Mit geschwungenem Tanzbein, Headbangen und Euphorie wurden beide Bands gleichermaßen umjubelt gefeiert. Bei VNV Nation wurde es auf dem Gelände regelrecht eng und fast undurchdringlich, da die Fans ausgelassen feierten und zu Songs wie “Electronaut”, “Legion” und “Nova” tanzten.
Und dann war es auch schon Zeit für den Headliner des Festival-Samstag: die Urlegende The Sisters Of Mercy! Auf diesen Bandnamen folgte in jedem Fall eins: ganz ganz viel Bühnennebel. Ohne den kommen Chris Catalyst, Ben Christo und Andrew Eldritch auf keinen Fall auf die Bühne. Und so schmissen die Techniker die Nebelmaschine ein und nebelten alles ein, was einzunebeln war. Dank des angenehmen Windzugs konnten die zahlreichen Fans doch den ein oder anderen seltenen Blick auf die Band erhaschen. Mit neon-grünen Oberteil war Sänger Andrew selbst im Nebelsturm kaum zu übersehen. Die Wegbereiter des Gothic-Rock – in jedem Fall ein ehrwürdiger Headliner für den ersten Tag.
Setlist: More | Ribbons | Doctor Jeep/Detonation Boulevard | Amphetamine Logic | Body Electric | Alice | Marian | Crash and Burn | Arms | Dominion/Mother Russia | Summer | First And Last And Always | Jihad | Flood II | Roadrunner/Sister Ray/Walking The Dog/Louie Louie | Lucretia my Reflection | Vision Thing | Temple Of Love | This Corrision