AND SO WE DANCE TO FORGET ABOUT THE SHADOWS | WHY SHOULD I SLEEP - THERE'S NOTHING LEFT TO DREAM
Warum mit diesem Album alles anders ist - und doch alles wie immer.
Releasedate: 31.10.2025 | ACCESSION RECORDS
So eine Rezension ist immer ein kleiner Seelenstriptease. Man könnte das Schreiben an sich auch kalt von Außen betrachten, das Objekt der Anschauung einer Leichenschau unterziehen und stur bewerten. Jedoch würde dann die Intention einer solchen Rezension ad absurdum getrieben. Musik, jede Kunst muss Gefühle transportieren, bewegen. Aufwiegeln, beruhigen, entspannen, beflügeln. Also spiegelt sich die Musik in diesem Fall in meiner Seele, wie Licht in einem Prisma, welches nicht ganz makellos ist.
Schnitt. Die erste Single des neuen Albums erscheint und holt mich direkt ab. [2 The Chemistry of Pain] Pure Emotion, unverbraucht - aber gleichzeitig vertraut und liebkosend wie eine geliebte Kuscheldecke. STOP. [3 Tomorrow's Past] erscheint und wird aus dem Stand dreimal am Stück morgens auf dem Weg zur Arbeit gehört und direkt zu meinem neuen Lieblingslied erklärt. Zu bewegend, viel zu schnell. Ich konnte so schnell nicht darüber schreiben - und dann war es zu spät. Um so schöner, daß sich jetzt die Gelegenheit ergibt, dies nachzuholen. Es ist sehr bequem, wie ein gut passender Schuh, vertraut, melancholisch, tief traurig... und kippt dann in eine positive Richtung: and so we dance, to forget about the shadows...

And so we dance
to numb the bitter sorrowto dry the tears for onceAnd reach tomorrow’s past
Das Album nimmt alles, was man an Diary of Dreams bisher gut fand und setzt dann eine neue Ebene oben darauf. Eine neue Perspektive, die sich erschließt, ein weiteres Kapitel im Tagebuch. Neue Aspekte, neue Tiefe und teilweise scheint nicht alles verloren. Tomorrow's Past wirkt stellenweise positiv und versöhnlich. Das kündet von Aufbruch in einer eigentlich verlorenen Welt. Dieser Song ist eine Hymne. Stiftet Frieden, Ruhe und Gelassenheit.
Meine beste Freundin hat einen bestimmten Tanzstil, welcher als "Seegrasen" bezeichnet werden kann:
SEEGRASEN, das
Adjektiv
Bedeutung: sich zur Musik stehend bewegen wie Seegras im Wasser.
Oft lächelnd, weinend oder beides zusammen. Immer tief fühlend.
Seegrasindex des Songs: 11/10
[5 Dead to Me] Eine weitere Single erscheint und am Abend lese ich die Frage der Band, wie der Song denn gefällt bei einem Post auf Instagram. Mir fehlen eigentlich immer noch die Worte. Damals wie heute. Die Antwort war: "Wieder ein wundervoller Titel. In der Trilogie der bisher veröffentlichten Songs muss er sich in meinem Kopf noch einordnen. Derzeitiger Lieblingssong ist aber 'tomorrow's past'". Stimmgewaltig und aufwühlend, aber das könnte man über fast jeden Song des Künstlers sagen. Je mehr ich ihn höre, desto besser gefällt er mir.
Die Bemusterung erreichte mich einen Tag vor der Veröffentlichung von "hurt people hurt people" und ich habe mir in der Mittagspause das Album zum ersten Mal in der "korrekten" Reihenfolge angehört. Also schnell, eine halbe Stunde Pause, 29:05 Spielzeit. Ich kann nicht warten. [1 Kein Allein] <PLAY> "Was ist das?" Die ersten Takte verwirren mich und ich kontrolliere, daß ich da gerade den richtigen Ordner abspiele. Stimmt, alles gut. Dann erklärt sich, fügt sich alles. Ja, das ist Diary of Dreams. Ja, das muss so! Beim ersten Schreiben dieses Absatzes war ich unsicher, wie ich damit umgehen soll, jetzt habe ich mich dafür entschieden, ihn genau so stehen zu lassen und nach dem Release zu erweitern. Musik lebt und ein Album wie das vorliegende ist ähnlich einem guten Wein - das muss erst atmen, wirken, sich entfalten.
[4 Hurt People Hurt People] Die vierte Single erscheint. Ein letzter Traum. Die Ausweglosigkeit, nachdem man verletzt Fehler begangen und seinerseits verletzt hat. Die Verzweiflung greibar, fühlbar. Vielleicht auch ein sich sich selbst stellen. Sehr tanzbar.
Ein treffender Abschluss für dieses "Minialbum", welches eigentlich ganz groß ist: [6 iamnowhere] ist jetzt wieder ganz typisch Diary. Eine dieser Balladen, für die die Band bekannt ist. Es fühlt sich an, wie ein offenes Ende und es ist ja auch erst das erste Kapitel des Buches, welches die Geschichte erzählen soll, welche durch die Textzeile >>Dead End Dreams<< in "Panik?" vom Minialbum "PaniK Manifesto" nur angedeutet wurde.
Musikalisch hat es mich an vielen Stellen überrascht, mehr Tiefe, Dichte und neue Elemente in die Komposition gebracht. Im Normalfall habe ich auf einem Album eines Künstlers, den ich wirklich gern höre, so zwei bis drei Titel, die ich wirklich mag, der Rest wird übersprungen. Ich kann mich nicht erinnern, daß eine Neuerscheinung mich schon einmal derart abgeholt hat, daß ich alles von Anfang an verschlungen habe wie ein spannendes Buch, welches einen nicht loslässt. Einige der Songs "wohnen" in meinem Kopf, Zeilen und Melodien tauchen zwischendurch immer wieder auf und regen zum philosophieren an. Die Geschichte liest sich auch noch einmal anders, wenn man die einzelnen Teile nicht in Reihenfolge der Singleauskopplungen, sondern wie auf dem Album anhört. Es macht noch einmal mehr Lust auf die kommende Tour und entgegen dem sonstigen "Ich hoffe, sie spielen viele von den alten Sachen, die ich so sehr mag" ist es diesmal ein Ich hoffe sehr, sie spielen ALLE Songs von Chapter 1: Dead End Dreams auf den Konzerten, sie müssen live erlebt werden.
Sag unter Tränen - es ist niemals zu spät
Doch solltest du schlafen - wenn die Welt untergeht?
(Kein Allein)
Was macht ihr daraus? Welche Songs gefallen euch besonders, was verbindet ihr damit? Ähnlich dem Album ist dieser Artikel noch nicht zuende erzählt und wird in Zukunft ergänzt werden. Das Album erscheint am 31.10. zu Halloween und wir sind gespannt auf eure Meinung.
Tracklist:
1 – Kein Allein 4:36 min
2 – the Chemistry of Pain 4:59 min
3 – Tomorrow’s past 4:27 min
4 – hurt people hurt people 4:48 min
5 – Dead to me 5:01 min
6 – iamnowhere 5:09 min
Tourdaten:
Infos im Netz:
https://www.diaryofdreams.com/
Bildnachweis: Promomaterial Diary of Dreams, Photograph: Silke Jochum