Meet the Highviech – 35.000 Festivalfans pilgerten zur 20. Ausgabe des Highfield
18. bis 20.08.2017
Für fünf Tage wurde die Magdeborner Halbinsel, da wo die Reste der alten Fernstraße F95 im früheren Tagebauloch und heutigen Störmthaler Erholungssee enden, zum Mekka für Open Air Musikfreaks. Und man feierte die zwanzigste Jubiläumsausgabe ausgiebig. Fairerweise ist anzumerken, dass dieses Großevent in Großpößna bei Leipzig allerdings „erst“ zum 8. Mal an diesem Standort stattfand. Dabei wurde aber bereits zum vierten Mal in Folge, bei Vergrößerung der Kapazität, das Ausverkauft-Schild ausgehangen.
Als Indie-Rock Festival beworben, ist die tatsächliche musikalische Bandbreite so gut wie überhaupt nicht eingeschränkt und reicht von einer ordentlichen Portion Hip Hop, über Rap-Rock, Reggae-Ska, Indie-Pop, bis Punk-Rock und auch mal einer Prise Elektro.
Der heutige moderne Festivalgast hat natürlich gestiegene Ansprüche und so genügt ein ordentliches LineUp alleine nicht mehr. Die Organisatoren möchten dem gern gerecht werden und bauen die Angebote von Jahr zu Jahr weiter aus. So gibt es Komfort auf der grünen Wiese, welcher vor einigen Jahren schlicht noch undenkbar war. Einzig einer handvoll Puristen dürfte diese Entwicklung nicht gefallen.
Alle anderen Gäste nehmen es dankbar an. Das geht los bei der Paletten-Biervorbestellung. Das Hopfenkaltgetränk muss nun nicht mehr die gefühlten zig Kilometer vom Autoparkplatz zum Zelt gebuckelt werden, man holt es nämlich einfach am Festivalsupermarkt ab. Da sind wir gleich bei einer Neuerung 2017: Ja richtig, ein echter Discounter inmitten der Zeltstadt auf Zeit, lockte mit Artikeln des „täglichen Festivalbedarfs“ und Öffnungszeiten von Morgens bis Mitternacht.
Der „Food Court“ genannte kulinarische Teil des Festivals, verteilt auf dem fast sechs Hektar großen Infield-Gelände, ließ die Gaumen schnalzen. Immerhin hatte man hier die Qual der Wahl bei den über 35 Geschmacksauberern und als Gegenstück zum Konserven-Frühstücksfleisch aus auf halb-durchweichtem Toast am Zelt, sowieso ein Quantensprung. Die Zeltstadt teilte sich in mehrere Bereiche auf. Vom Komfort-Camping im „Searassic Park“, in Lodge oder im Loft (zum Beispiel gigantische 16m² im Kuppelzelt) und Grüner wohnen mit dem Service „Mein-Zelt-Steht-Schon“ reichte das Angebot. Wer will da noch ins Hotel?!?
Und was ist der Vorteil einer Halbinsel? Korrekt – das Wasser drumrum und so sorgte man auch hier neben der Bademöglichkeit am 200 Meter langen Strand für Action mit Bananaboat- und Tube-Riding, mit Beach-Volleyball und bis hin zur AOK-Grinsel, sowie Cocktailbar inklusive DJ.
Und noch ein paar beeindruckende Zahlen zur größeren der beiden Bühnen, die drei Tage lang gerockt wurden: Die GreenStage hatte eine Spielfäche von 21x19 Metern für jede Menge Bewegungsradius, eine 40.000 Watt-Anlage für den richtigen Sound und über 400 Scheinwerfer um die Künstler ins optimale Licht zu rücken.
Groß-Festivals haben ja in letzter Zeit gehäuft mit Risiken verschiedenster Art, von Sicherheitsaspekten bis zu Wetterkapriolen, zu kämpfen. Das HIGHFIELD blieb hiervon leider diesmal ebenfalls nicht verschont. Am Donnerstag, mit der großen Anreisewelle, konnten die Festivalgäste noch trockenen Fußes ihre Quartiere in den Bereichen einrichten und bei sommerlichen Temperaturen das Party-Level gemeinsam mit den „Nachbarn auf Zeit“ langsam hochschrauben. Am Freitag dann eröffneten NEONSCHWARZ das Festival auf der BLUE STAGE und begrüßten die auf das Infield strömenden Festivalfans. Gerade hatte man sich mit weiteren Bands wie IRIE RÉVOLTÉS, die sich übrigens auf ihrer Abschiedstour befinden, warm gemacht und die 257ERS sorgten für Hochstimmung, als der „Break“ ausgerufen wurde. BOSSE standen da bereit für Ihre Show, doch ein schnell heraufziehendes Unwetter ließ dem Veranstalter keine andere Wahl: Das Festival wurde für 60 Minuten unterbrochen, alle Gäste mussten umgehend das Infield und möglichst in Richtung ihrer Fahrzeuge verlassen. Angesichts der tiefschwarz herannahenden Wolken schien allen Beteiligten der Ernst klar und die Räumung lief sehr schnell und keine Minute zu zeitig ab. Erst gegen 23 Uhr konnten schließlich nach einem heftigem Gewitter mit starkem Regen und Windböen die Warnungen aufgehoben werden. Als Informationskanal mit Neuigkeiten leistete hier übrigens die Highfield-App (glücklich wer Empfang hatte) und der eigene lokal ausgestrahlte Radiosender CampFM gute Dienste.
Nach Inaugenscheinnahme des Konzertgeländes reifte eine bittere Erkenntnis: Die Bespielung ist an diesem Abend aufgrund großflächiger Unterspülung nach den Regenmassen auf der Green Stage-Hauptbühne nicht mehr möglich und bedeutete den Ausfall von BOSSE, CLUESO und dem Headliner BILLY TALENT.
CLUESO überraschte dann, vor dem einzigen noch regulären Auftritt von BEGINNER, mit einem ganz spontanen Unplugged-Set. Wie charmant, als er zur Überraschung mit Akustik-Gitarre und Musikern als Unterstützung die Bühne enterte! Das Duett zu „Wenn du liebst“ mit Sängerin Kat Frankie wurde eben so aufgeführt wie selbstredend das „Cello“. BEGINNER um Jan Delay halfen ab Mitternacht mit einer furiosen Show den Regen aus den Klamotten der Fans abzuschütteln. Mit ihrem vierten Album “Advanced Chemistry” im Rücken und tausenden durch die Wirren des Abends sehr musikhungrigen Fans in Front, hatten DJMad, Denyo und Eizi Eiz heute besonders leichtes Spiel und ließen auf der Bühne sogar dich "Chicken" tanzen.
Glücklicherweise war es das mit dem Niederschlag, und die Festivalcrew werkelte die ganze Nacht durch, um das Konzertgelände trocken zu bekommen. Hoch frequentiert war der festivaleigene Penny-Markt nun nicht nur wegen Becks, sondern vorrangig wegen gummiertem Schuhwerk. Bald wurde dort ein „Sorry Gummistiefel ausverkauft“ angebracht. Teile des Campingplatzes, insbesondere in etwas tieferen Senken des Geländes hatte es nämlich ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen und die Wege ließen „Wacken-Feeling“ aufkommen.
Versöhnlich zeigt sich dann der zweite Festivaltag. Die Klamotten wurden getrocknet, die Frisuren und Krönchen gerichtet und auf ging es. Beide Bühnen wurden mit Vollgas und unter anderem mit den Indie-Punkern von TURBOSTAAT, den extraordinären Feine Sahne Fischfilet und Thees Uhlmann bespielt. Headliner des Samstag waren, unübersehbar an den Massen vor den Bühnen erkennbar, die Schotten von Biffy Clyro mit ihrer unglaublich energetischen Show, die live absolut mitreißenden Chemnitzer Indierocker KRAFTKLUB, sowie um Mitternacht der Rap-Rocker CASPER mit einer furiosen Show, der die Vorfreude auf das nun endlich kommende neue Album „Lang Lebe Der Tod“ damit ins Unermessliche steigerte. Neue Songs wie „Alles Ist Erleuchtet“ und der Titeltrack wurden bereits in das Set mit integriert und er unterhielt sein Publikum auf spektakuläre Weise, inklusive Funken, Feuerwerk, schwebender Plattform und Ausflug ins Publikum auf eine kleine Bühne.
Am Sonntag sah man den Besuchern die Strapazen duchfeierter Nächte schon deutlicher an. Der Chic wich, zumindest bei Teilen der Gästeschar, einer Zweckmäßigkeit im Kleidungsstil. Der Spaß kam dennoch nicht zu kurz. 35-Meter-Riesenrad, der gigantische Jägermeister-Platzhirsch und das Bungee-Jumping dienten neben dem Bühnenprogramm, genau wie die Händlermeile, rund um die Uhr als Magneten.
So verging auch dieser Festivaltag wie im Flug. Nicht zuletzt natürlich wegen großartiger Bands, die auch den Fans für ihr Durchhaltevermögen auf dem Festival Respekt zollten. Selbstbewusst traten VON BRÜCKEN vor ihr Publikum und gaben Stücke von ihrem Debütalbum „Weit Weg Von Fertig“ zum Besten. Kein Wunder, handelt es sich doch mit Nicholas um den früheren Sänger von Jupiter Jones, mit reichlich musikalischer Erfahrung. Mit ihrem kraftvoll melodiösen Punk heizten ZEBRAHEAD der Menge einund die fünf westfälischen Punk-Rocker DONOTS, ala Garanten für feinste Stimmung, nahmen diesen Faden geschickt auf und heizten die Crwod zum Hochleistungen im Abfeiern und Moshen an.
Die kalifornische Punk-Legende THE OFFSPRING um Sänger Dexter Hollands dreht derzeit eine Runde durch Europa mit Auftritten bei einigen Festivals und machte auch dem Highfield ihre Aufwartung. Kurz nachgeschlagen: Bereits in das Jahr 1984 reicht die Gründung zurück, 1994 (da waren viele Highfieldgäste gerade geboren) dann das Erfolgsalbum „Smash“ als großer Durchbruch. Eine große Show und Interaktion (sprich Ansagen ans Publikum) suchte man vergebens, der Fokus lag auf der musikalischen Darbietung. Die Band spielte ihr Set souverän und die Hits wie „The Kids Aren´t Alright“ und „Self-Esteem“ durften am Ende natürlich nicht fehlen.
15 Jahre Bandgeschichte, die wichtigsten Musikpreise in der Tasche und über fünf Millionen verkaufte Platten sprechen für sich: SILBERMOND die sympathische Band aus der Oberlausitz um die charismatische und scheinbar immer strahlende Fronterin Stefanie beehrte das Highfield zum insgesamt dritten Mal und zog die Fans ihre deutschsprachigen Pop-Rock mit Stücken vom letzten Album „Leichtes Gepäck“ und aus der Bandhistory in den Bann.
Große Ernüchterung machte sich am Abend bei den Fans von PLACEBO breit: Der Bühnenaufbau durch die Roadies für die britische Kult-Band und ihre "20 Years"-Show hatte bereits fleissig begonnen, als plötzlich und unerwartet die Mitteilung überbracht wurde, dass die Briten und Megastars leider aufgrund eines akuten Krankheitsfalls eines Bandmitglieds ihre Show nicht spielen können. Sehr, sehr lange Gesichter und fassungslose Blicke mischten sich mit der Sorge, was passiert sein könnte.
DIE TOTEN HOSEN füllten die zeitliche Lücke gern und spielen ein verlängertes, zweistündiges Set. Für Abriss pur sorgten die Opel-Gang und Alt-Punker (darf man das so sagen?) um Rampensau Campino. Zeitlos wirkt es, wenn sie ihre zu Hymnen avancierten Songs schmettern und dabei wie eh und je großen Wert auf eine ständige direkte Interaktion mit den Fans setzen. Das Ganze wirkt ehrlich und ungekünstelt und die Party wirkt bis zum melancholischen Rausschmeißer im zweiten Zugabenblock - You'll Never Walk Alone , der in Hosen-eigener Manier Variante des Rodgers & Hammerstein-Klassikers.
Im Fazit: Das Highfield 2017 war für Gäste und Veranstalter gleichwohl kein ganz leichtes Event und doch vernahmen wir rundum zum Abschied: "Bis nächstes Jahr!" :-)
Und gute Nachrichten dann noch zum Schluß: Nach dem Highfield ist vor dem Highfield und so hörten wir, dass die Verträge für ein längerfristiges Verbleiben des Festivals an diesem schönen Ort wohl so gut wie besiegelt sind.
Bis zum nächsten und dem übernächsten und dem überübernächsten also!
Fotos:
Falk Scheuring (HELL-ZONE)
Julia Schwendner (Foto Kraftklub - FKP Scorpio Pressefoto)
Malte Schmidt (Foto Kraftklub - FKP Scorpio Pressefoto)