25 Jahre Wave Gotik Treffen - Einmal WGT immer WGT - Die persönliche Bilanz zum Jubiläum 2016
Als ganz junger Mensch wollte ich es immer nicht wahr haben, wenn die Älteren jammerten, dass es einem mit zunehmendem Alter vorkommt, als ob die Zeit immer schneller vergeht. Nun, als junggebliebener Alter, muss ich ihnen uneingeschränkt Recht geben. Die Zeit rennt. Und wie!
Nicht nur dass wieder ein Jahr rum ist, und wir uns wieder zu Pfingsten in Leipzig unter dem schönen schwarzbunten Volk tummeln, nein 5 (fünf!) Tage, von unserer Truppe bewusst entschleunigt gestaltete Tage beim WGT, sind auch schon wieder Geschichte. Irgendwie unwirklich das ganze!
Zum Glück entwickelte sich das Wetter nicht so, wie noch eine Woche vor Pfingsten prognostiziert. Es war nicht optimal, doch es hätte weitaus schlimmer kommen können.
Und WGT – Besucher sind ja grundsätzlich Härten gewöhnt. Wer hier schön sein will, muss leiden. Sonst sind es nur hinderliche Reifenröcke und Kleider mit langer Schleppe bei den viktorianischen Schönheiten, Korsagen bei Männlein und Weiblein überhaupt, Mundschutz und Masken bei den Neon-Punks, umgehängte Utensilien und mitgeschleppte Gerätschaften bei den Steam-Punkern usw., die das Leben beim WGT schon nicht leicht machen. In diesem Jahr kamen eben noch Wetterkapriolen erschwerend hinzu. Es wurde mit Dauer des Treffens immer kälter. Doch letztendlich zeigten sich die Wettergötter dem dunkelbunten Volk gnädig gewogen. Nur am Sonntag zeigten die Eisheiligen, dass sie auch anders können. Sie zauberten in die Mitte des Wonnemonats Mai einen erstklassigen Apriltag.
Die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des WGT konnten so in vollen Zügen genossen werden. Sprichwörtlich ins Wasser gefallen ist wohl keine Veranstaltung.
In diesem besonderen Jahr startete das WGT schon am Donnerstagabend. Im Freizeitparkt BELANTIS im Süden von Leipzig trafen sich die ersten Besucher des Treffens. Naja, die ersten Besucher! Glaubt man den Leipziger Medien, waren an diesem Abend ca. 10.000 Schwarzbunte vor Ort. Wohl mehr, als die Organisatoren nach den Diskussionen im Netz erwartet hatten. So gestaltete sich der Einlass in den Park als nerviges Geduldsspiel. Unser Fünfer-Team wartete geschlagene 1,5 Stunden in einer nicht enden wollenden Schlange auf eine Möglichkeit, sich das obligatorische Bändchen ans Handgelenk nageln lassen zu können. Viel zu spät wurde ein zweites Nagelstudio eröffnet und den Massen die Möglichkeit gegeben, auch ohne Bändchen, nur mit der Eintrittskarte, den Park zu betreten. 1,5 Stunden sind beim eher stupiden Warten schon lange 90 Minuten, egal mit welcher stimmungsvollen Truppe man unterwegs ist. Später am Abend musste auch noch der Shuttleverkehr aus der Stadt nach BELANTIS eingestellt werden. Die Aufnahmekapazität von BELANTIS war ausgeschöpft.
Im Park hatte man nicht den Eindruck, dass Tausende unterwegs waren. Die Gäste verteilten sich über das riesige Gelände. An den Fahrgeschäften und den Ständen für Speisen und Getränke bildeten sich natürlich größere Wartegemeinschaften. Ansonsten konnte man aber gemütlich die durch die spärliche Beleuchtung erzeugte stimmungsvolle Atmosphäre genießen. Dezent wurden die Gäste über die vorhandene Soundanlage des Parks, geschickt sind an allen Ecken und Enden Lautsprecher in künstlichen Steinen versteckt, mit einer dem Anlass entsprechenden Musik berieselt. In der Dunkelheit tat die Beleuchtung der Fahrgeschäfte ein Übriges. Es entwickelte sich eine anheimelnde bis friedvolle Stimmung. Ein ansehenswertes Feuerwerk gegen 22:50 Uhr krönte den späten Abend. Die Fahrgeschäfte waren bis Mitternacht geöffnet. Wer wollte, konnte sich bis in den frühen Morgen zu Klängen in der Disko abarbeiten. Wir wollten nicht.
Den Freitag startete unser Fünfer gegen 15:00 Uhr im Clara-Park beim VIKTORIANISCHEN PICKNICK. Gute zwei Stunden spazierten wir unter den flanierenden und sich produzierenden Schönheiten, um uns dann auf den Weg zur AGRA zu machen. Hier war nur Zeit für einen kurzen Ritt durch den Einkaufstempel. Wir wollten ABNEY PARK aus den USA auf keinen Fall verpassen.
Den Samstag eröffneten wir im Palmen-Garten beim Treffen der STEAM PUNKER. Auch hier waren zwei Stunden schnell rum. Dieses besondere Völkchen der Steam Punker muss man einfach einmal (oder öfter) gesehen und erlebt haben. Was für kreative Kostüme! Welch filigrane, aufwändig gearbeitete und vielfach äußerst humorvoll absurde Technik! Es ging dann weiter in den KOHLRABIZIRKUS. Heute sollten es Doom, Blackmetal und Metal sein. Bevor DÉCEMBRE NOIR, AUTUMNAL, SWALLOW THE SUN und CREMATORY unsere Seelen streicheln konnten, gab es zur Stärkung unserer Körper vorab eine schwarze(!) Rostbratwurst, die dann aber zum Glück wirklich nur schmeckte, wie eben eine Rostbratwurst.
Das vor einigen Jahren beim WGT eingeläutete Konzept, die Konzerte später beginnen zu lassen, und an einem Abend nicht mehr so viele Bands an einem Ort spielen zu lassen, war auch am heutigen Abend angenehm spürbar.
Es macht einfach Sinn! Weniger Bands = weniger Umbauzeit = länger Spielzeit je Band = ein größerer zeitlicher Spielraum, um in eine andere Location wechseln zu können für die Gäste.
Den Sonntagnachmittag wollten wir in der Stadt verbringen. Doch wie schon oben bemerkt, zeigten die Eisheiligen an diesem Tag, was auch möglich ist. Innerhalb kürzester Zeiten sprang die Farbe des Himmels von sonnendurchflutetem himmelblau auf wassertriefendes regengrau um. Beim ersten Platzregen waren wir zum Glück in der Tiefgarage. Vor dem zweiten Platzregen konnten wir noch in den Keller der Moritz Bastei flüchten. Hier besichtigten wir dann ungeplant eine kleine, sehr spezielle Gemäldeausstellung mit düsteren, teilweise morbiden und doppeldeutigen Bildern, die gut zum WGT passten. Dem dritten Regen konnten wir nach dem Besuch der Verkaufsstände auf der Bastei nur durch Flucht unter ein Vordach eines Bierwagens entkommen. Vorbei an den nun schon üblichen unzähligen Normalos und Spannern mit Fotoapparaten zogen wir dann zurück zur Tiefgarage. Wir wollten auf das Agra - Gelände. 3-4 Straßenbahnhaltestellen vor der Agra parkten wir unser Auto, um dann mit der Bahn zur Agra zu fahren. In die Bahn gelangten wir gerade noch trocken. Beim Aussteigen erwischte uns dann der Regen. Das kurze Stück Weg bis zur nächsten Unterstellmöglichkeit hat gereicht, um uns unangenehm anzufeuchten. Gerade rechtzeitig zum Konzert von LORD OF THE LOST waren wir dann in der Halle. Nicht ganz unerwartet war die Halle schon sehr gut gefüllt. Kein Wunder. Es spielten LORD OF THE LOST und bei dem Wetter war man am besten drinnen aufgehoben. So dachten viele. DARK HAUS und DIARY OF DREAMS veredelten uns dann den Rest des Abends. Auf dem Heimweg war es trocken. Am Montag hielt sich das Wetter und ein Besuch des Heidnischen Dorfes war möglich. Zum Nachmittag war hier ungewöhnlich wenig Betrieb. Wahrscheinlich rechneten die Leipziger mit Regen und blieben mit ihren Familien, anders als in den letzten Jahren, dem Treiben fern, oder sie waren bei der Aufstiegsparty von RB Leipzig auf dem Markt. Erst gegen Abend füllte sich das Dorf richtig.
Und dann war alles wieder vorbei.
Abgesehen davon, dass wir alle emotional noch lange von diesen Tagen über Pfingsten in Leipzig zehren werden, ist nun eines auch klar: In unserem Alter vergeht die Zeit nun einmal nicht mehr langsamer, und so ist in Kürze wieder WGT!
Detlef