UNHEILIG auf Abschiedstour Open Air am Elbufer Dresden - Unser Bericht
06.08.2016 UNHEILIG auf "Ein Letztes Mal" Open Air-Tour "Filmnächte am Elbufer" in Dresden
Hätte uns vor zehn Jahren jemand erzählt, dass der düstere Sehnsüchte besingende, schwarze und weiß/schwarze Anzüge tragende „Graf“ von Unheilig einmal mitten im Herzen von Dresden zigtausende (zumeist) bunt gekleidete Anhänger in seinen Bann zieht, wir hätten ihn wohl für komplett verrückt erklärt. Wir wissen wovon wir sprechen, konnten wir doch die Entwicklung von seinen ersten Gehversuchen an bis heute verfolgen. Zum hiesigen Abschlußkonzert vor der eindrucksvollen Silhouette der Dresdener Altstadt, feierten 12.000 Fans ihre Band euphorisch und wehmütig.
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Im vergangenen Jahr (2015) gab der Graf seinen Rücktritt von den Bühnen bekannt und begab sich auf große Abschiedstour. Doch das Ende scheint ihm schwerer zu fallen, als er sich eingestehen möchte. Oder ist es der Ruf von Ruhm und Geld? - Die unheilige Marketing-Maschinerie läuft zumindest auf Hochtouren. So gibt es in diesem Jahr die „Das letzte Mal“-Open Air Tour. Auch wir verbinden viele Songs bis zum Album „Große Freiheit“ mit schönen Erinnerungen, mit der raschen Mainstream-Orientierung ließ unser Interesse dann jedoch nach. Doch nun wollten wir es noch einmal wissen und machten uns auf, zum seit langem ausverkauften Konzert am schönen Dresdener Elbufer.
Als Support gab es diesmal drei Bands. Eingeladen haben sich UNHEILIG über die letzten Jahre als Support regelmäßig gern Bands aus der „Schwarzen Szene“, die vom Publikum respektiert und mehr oder minder bestaunt wurden. (Megaherz, The Crüxshadows, Diary Of Dreams, Letzte Instanz, And One, FAQ). Nach BeOne durften an diesem wunderbaren Sommerabend STAUBKIND die Bühne entern. Die Band um Louis Manke wurde sofort von den UH-Fans gefeiert. Kein Wunder: Sind sie doch seit langer Zeit als Vorband mit dem Grafen auf Tour und auch musikalisch hat man sich weiter angenähert. Insbesondere nachdem das letzte Album aus der Feder von Henning Verlage stammt.
Exotischer kommen dem Publikum da schon die folgenden SCHANDMAUL vor. SCHANDMAUL geht es da ähnlich. Erfolg und einen guten Namen haben sich die Münchener auch so schon erspielt. Heute in Dresden springt der Funke nicht so recht über. Die Musik ist der Masse etwas zu vielschichtig aufgebaut, die Mitsingrefrains nicht so eindeutig reflektierbar. Mit ihrem schwungvollen Folk-Rock wissen sie dennoch in ihrer knappen Spielzeit von sich zu überzeugen. Am 16. September erscheint SCHANDMAULs neues und bereits 9. Studioalbum „LeuchtFeuer“. Mit diesem Auftritt im Gedächtnis werden sich sicher einige Zuschauer diese Veröffentlichung zulegen.
Mit einem Countdown startet die sehnsüchtig erwartete UNHEILIG-Show und im Bühnenhintergrund laufen großformatige Videos passend zum Intro ab. Licky an der Gitarre, Potti an den Drums und Henning Verlage am Keyboard. Dann kommt tosender Applaus als der Sänger mit einem Riesensprung, wie aus dem Nichts, auf der Bildfläche erscheint und sogleich den langen Steg nutzt, um ein Bad in der Menge zu nehmen.
Der Graf hat den Sprung zum ganz großen Erfolg geschafft. Sein Publikum hat er dabei weitgehend ausgetauscht. Die schwarzen Punkte im Farbenmeer der Besucher, stammen lediglich von den eigenen Bandshirts, die passend zur Abstammung noch in dieser Farbe existieren und zum Merchandise-Kalkül gehören.
Seinen Erfolg gönnen wir ihm grundsätzlich, doch bewegt er sich bis heute auf einem schmalen Grat: So bedient er sich gern gewisser Elemente aus seiner „schwarzen Szene“ und nimmt doch sämtliche Vorteile aus der "Schlagerwelt" bewusst mit. Neuere Songs, nach seinem kometenhaften Aufstieg, tragen wesentliche schlagerähnliche Züge, da kann auch die sonst in diesem Genre eher untypische Licky-Gitarre nicht darüber hinwegtäuschen. Sinnbildlich dafür ist das Stück „Die Weisheiten des Lebens“ vom letzten Studioalbum „Gipfelstümer“. Es driftet dermaßen ins Kitschige ab, dass man meint er liest aus einem Poesiealbum vor. Eine sinnfreie Aneinanderreihung von Sprichwörtern, die kontextfrei dahinschmachtet und vom Publikum aus voller Kehle, da ja jedem bekannt, mitgesungen werden. Spätestens da offenbart er, ganz offensichtlich zur Schau gestellt, den simplen Aufbau seiner Stücke. Einmal Belanglosigkeit, einmal Herzschmerz, einmal Sehnsucht, einmal Glückseligkeit... Die Masse singt beseelt mit. Und der Hauch schwarz, der Hauch des Besonderen aus der dunklen Welt geben das nötige positive In-Gefühl. Irritierend: jedes Mal nach einem "Dankeschön" des Grafen, schallt ihm ein Tausendfaches „Bitteschön“ zurück. Das ist drei oder viermal noch witzig, danach aber nur noch, sorry, "nervig".
Des Grafen Entertainer-Qualitäten sind erstaunlich. Mit ausladenden Gesten, einfühlsamen Worten und zu jedem Stück passender Mimik (großformatig auf zwei Videowände projiziert), umgarnt er sein Publikum. Als Lohn fliegen ihm die Sympathien nur so zu. Dies gipfelt in einer emotionalen Dankesrede an die Dresdener und auf Bitten eines Fans in der persönlichen Übergabe eines schweißgetränkten Handtuchs des Sängers.
Mit älteren Stücken fängt der Graf auch uns ein und wir wiegen uns im Takt mit zu "Feuerengel", "An Deiner Seite" und "Für Immer". Ja da werden Erinnerungen wach und wir möchten UNHEILIG dafür danken. Selbstredend durfte dann auch ein tränenreiches „Geboren um zu Leben“ und das rammsteinangehauchte "Maschine" im Zugabenblock nicht fehlen, bevor sich UNHEILIG an diesem Abend verabschiedeten. Doch halt: Oh Überraschung, es wird ja noch ein offizielles Abschiedsalbum geben, also ein Abschied in Raten. Und wer weiß, vielleicht erleben wir in einiger Zeit auch eine Rückkehr. Wir können uns zumindest sehr gut vorstellen, dass „Mann“ sich in Zukunft neuen musikalischen Projekten widmet.
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