LAIBACH - The Sound of Music in Leipzig - Die Verschmelzung von Musik und Kunst zur Perfektion
LAIBACH - auf "The Sound of Music" - Tour im Haus Auensee in Leipzig
15.04.2016
Ihr aktuelles Konzertplakat im modernisierten Retro-Collagenlook kommt sehr bunt, fröhlich und für Uneingeweihte fast irreführend daher. - Erinnerungen an Ernst-Thälmann Pioniere werden wach. Vor 35 Jahren gründete sich die Post-Industrial-Punk-Techno Band in der damals noch jugoslawischen Industriestadt Trbovlje. Nach der Veröffentlichung ihres letzten Albums "Spectre" gelang Laibach mit dem nächsten Schritt eine erneute Kontroverse in der Öffentlichkeit zu entzünden. Grund dafür ist ihre im August 2015 absolvierte Liberation Day-Tour, bei der sie zwei Konzerte im nordkoreanischen Pjöngjang spielten und damit die erste westlich geprägte Rockband waren, die in dem abgeschotteten Staat überhaupt auftreten konnten.
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Im Rahmen der "Sound Of Music"-Tour brachten Laibach jetzt Teile des Programms auf die Bühne, welche auch in Pjöngjang zur Aufführung kamen. Wie Musikkenner der Tour-Name bereits vermuten ließ, gab es auch Neuinterpretationen der Songs, des auch in Nordkorea wohlgeschätzten Musicals „Sound Of Music“ zu Gehör. Die Zuschauer im Traditions-Konzerthaus Haus Auensee zu Leipzig wurden einleitend dementsprechend mit einer Repeat-Playlist von Songs aus dem Original-Musical „Sound of Music“ von Konserve beschallt.
Als es nach einer halbstündigen Verspätung mit dem Konzert los ging, blieb bis zur Pause keine Zeit mehr für einen Gang zur Bar, denn wie gebannt mussten unsere hypnotisierten Augen auf das sich bietende Bühnenspektakel starren. Viele Worte kann und muss man gar nicht verlieren über diese herausragenden zweieinhalb Stunden Kunst, eröffnet vom zehnminütigen „Olav Trygvasson Poem“ und getaucht in spärlich zuckende Spotlights.
Frontmann Milan Fras erschien im gewohnten Military-Vlad Tepes Outfit, Frontfrau Mina Spiler in der Mitte der Bühne an einer Art Rednerpult. Wundervoll installiert und beleuchtet sang sie zum Publikum, wie eine Präsidentin zum Volk.
Die Visuals changierten von mit Bässen harmonierenden Lasergebilden über Schwarz-Weiss Montagen mit übergroßen Lyrics, die parolenartig ergänzend zu kompletten Musikvideos durchliefen.
Avantgardistisch und ihrer Zeit voraus waren Laibach schon immer. Was einen bei einem Konzert erwartet konnte man noch nie wissen. Ein Stilmittel der Band ist durchaus mit der Erwartungshaltung des Publikums zu spielen. Ganz offensichtlich haben Laibach nun im Konzertieren den Grad der Perfektion erreicht. Kaum eine Band im Dark-Sektor schafft es Licht, Musik, Gesang, Visuals in so einer Harmonie zu verbinden, dass jeder Schritt choreographiert, jedoch nicht einstudiert wirkt.
Zu meinen persönlichen Highlights in der, inklusive Intermezzo-Pause, zweistündigen Darbietung zählen „Smrt za Smrt (Death for Death)“ im ersten Teil und „My Favorite Things“ im zweiten Teil. Ersterwähnter Song bildete eine irre, atonal, noisige Klangcollage mit Stummfilmelementen. Letzterer war fast schon niedlich angehaucht mit Mangaponys, Kinderstimmen und Falafel Visuals. - Eine Hommage an die Korea-Erfahrungen.
Schlagworte wie „die EU fällt auseinander“ und die „Horden aus dem Osten überrennen uns“ schweben wie ein Damoklesschwert über dem Haus Auensee. - Die älteren Texte und Themen der Band scheinen damit aktueller denn je. Darunter sind Songs wie “Now You Will Pay” und “The Great Devide” aus ihrem 2003er Album WAT, die sich beide mit Flüchtlingskrisen in Europa und dem Mittleren Osten beschäftigen.
Am Rande des Konzerts - Diskussionen was Kunst leisten muss – ein genrefremder Musiker im Publikum ist entsetzt, geschockt, verstört über die Bühnenshow und Musik. „Ich gehe ins Konzert um abgelenkt zu werden von den Problemen der Welt. Nicht um drauf gestossen zu werden.“ sagt er. Genau da setzt Laibach an, weit über ein standardisiertes Konzert und Liedtexte hinaus. Kein Wunder wenn man sich die Entstehungsgeschichte der Band noch einmal zu Gemüte führt. Künstler- und Theatergruppen waren von Anfang an involviert. Bach-Fuge als Schachspiel-Installation im Schauspielhaus Leipzig, Nationalhymnen-Konzert und EXPO Weltaustellungen sind nur ein paar der Stationen im Werdegang der Gruppe – Laibach ist und bleibt ein Kunstprojekt.
Fazit: Das beste erlebte Konzert in diesem noch jungen Jahr. Nach den Zugaben bekamen die beeindruckten Konzertbesucher überraschend einen Filmtrailer zur Nordkorea-Tour Dokumentation zu sehen. Ein weiteres Laibach Highlight also, auf das man sich freuen kann!
Trailer zum kommenden Dokumentarfilm mit Laibach in Nordkorea: www.youtube.com/watch?v=fJPjaaNTZeQ
Setlist Leipzig 15.04.2016
Homepage: www.laibach.org