6. BLACKFIELD FESTIVAL - Bericht 2013
Bericht zum 6. Blackfield Festival 2013
Inklusive Kurzinterviews mit Tom von [SITD] und Krischan Wesenberg von ROTERSAND
3 Tage – drei Veranstalter – 26 Bands – ein Moderator – 7 DJs – geschätzte 6.000 Besucher – ein Blackfield
Die Vorfreude auf das 6. Blackfield-Festival war schon zwei Wochen vor Beginn zu spüren. Facebook sei Dank wurde jeder, der in der Blackfield Festival-Gruppe ist, jeden Tag aufs Neue von euphorischen Festival-Ticket-Inhabern darauf aufmerksam gemacht, wie viel Mal man noch schlafen muss, bis die besten drei Tage des Jahres starten. Ein bisschen wie im Kindergarten, aber wahrscheinlich deswegen auch irgendwie niedlich.
Die Vorfreude auf das 6. Blackfield-Festival war schon zwei Wochen vor Beginn zu spüren. Facebook sei Dank wurde jeder, der in der Blackfield Festival-Gruppe ist, jeden Tag aufs Neue von euphorischen Festival-Ticket-Inhabern darauf aufmerksam gemacht, wie viel Mal man noch schlafen muss, bis die besten drei Tage des Jahres starten. Ein bisschen wie im Kindergarten, aber wahrscheinlich deswegen auch irgendwie niedlich.
Gelsenkirchen - Amphitheater
28.06. und 30.06.2013
28.06. und 30.06.2013
Copyright: Mandy Privenau
FREITAG
Der Gedanke vieler Arbeitstätiger Festivalbesucher wird eher gewesen sein: Warum fangen die freitags so früh an? Wie soll ich das denn schaffen? Dementsprechend gering fiel der Ansturm bei der Bändchen-Vergabe um 16 Uhr aus. Die erste Band Full Contact 69 hatte damit einen schweren Start. Dazu kam das schlechte Wetter, was viele Besucher sicherlich auch noch ein bisschen im Trockenen warten ließ, bevor man das Amphi Theater in Gelsenkirchen aufsuchte. Bei Coppelius, der nächsten Band wurde es dagegen schon etwas voller. Wer Videos von Coppelius kennt, wird die Jungs in ihren historischen Kostümen und verrückten Rollen wiedererkannt und überzeugend gefunden haben.
Spätestens bei Blutengel, dem Headliner des ersten Tages, hatte auch jeder endlich Feierabend - das Amphi Theater war ziemlich voll. An der Show von Blutengel mag das nur bedingt gelegen haben. Die musikalische Leistung war erwartbar solide, die Performance der drei tanzenden Damen auf der Bühne dagegen eher weniger beeindruckend, mehr als drei sich immer wiederholende Tanzschritte wäre den Damen zuzutrauen gewesen. Auch die eingesetzten Feuerfächer konnten die eher lasche Darbietung nicht überzeugender gestalten. Kitschiges Detail: Wer genau hingesehen hat, konnte auf der Rückseite von Chris Pohls Jacke in schwarzen Strass-Steinen „Blutengel“ lesen. Alles in Allem erst einmal eine sehr vorhersehbare und übliche Show von Blutengel. Wäre da nicht der zarte Fauxpas von Pohl gewesen: „Ist Gelsenkirchen eigentlich eine Stadt oder eher ein Ort?“. Eine Frage, die nicht nur den eingefleischten Schalke-Fan ungnädig stimmte. Aber woher soll der feine Herr aus Berlin das schon wissen?
Mit der ersten Aftershow-Party im Bändchenvergabe-/Autogrammstunden-/Party-Zelt ging der Festival-Tag zu Ende. Leider war die Musik im Zelt extrem leise. Lärmvorschriften der Stadt Gelsenkirchen sei Dank. Die Party-DJs gaben ihr Bestens, um die mangelnde Lautstärke mit guter Musik und bester Stimmung auszugleichen.
SAMSTAG
Der Samstag begann sowohl musikalisch als auch wettertechnisch vielversprechender als der Freitag - die Sonne schien so unerwartet heiß vom Himmel, dass die vorherrschende Hautfarbe gen Abend immer roter wurde. Möglicherweise hatte Tom Lesczenski von SITD das Wetter bestellt, um mit dem Rad zum Festivalgelände kommen zu können. Für den gebürtigen Gelsenkirchener sollte es schließlich um 15 Uhr 40 auf die Bühne gehen. Dazu später.
Ein frühes Highlight nach dem Auftakt von Formalin und Noyce TM war die amerikanische Band Aesthetic Perfection. Man hätte meinen können, dass drei Personen eine so große Bühne wie die im Amphi-Theater nur schwerlich hätten füllen können. Der Auftritt von Sänger Daniel Graves bewies schon beim ersten Song das Gegenteil. Stimm- und Performancegewaltig fegte er über die Bühne, als hätte er nie etwas Anderes getan.
Selbst das Outfit war für den Auftritt bei Tageslicht perfekt gewählt – mit weißem Hemd, schwarzer Weste und einem weißgeschminkten Gesicht mit einem schwarzen Handabdruck auf dem Mund wirkte er auf den ersten Blick wie ein skurriler Pantomime. Auf den zweiten Blick hätte er sich aber nicht besser auf der rein schwarzen Bühne in Szene setzen können. Dummerweise begrüßte er die Zuschauer nach dem ersten Song mit „Hallo Leipzig“. Das hätte Chris Pohl sicherlich gefallen, Daniel Graves war das aber sichtlich peinlich. Auf Deutsch entschuldigte er sich ausführlich. Das Publikum zeigte sich
gnädig und so konnte die leider viel zu kurze, sehr überzeugende Show weitergehen. Nach nur einer halben Stunde Spielzeit mussten Aesthetic Perfection schon für die nächste Band Platz machen. Eine spätere Platzierung mit mehr Spielzeit wäre wünschenswert gewesen.
Nachdem die ersten drei Bands des Tages rein elektronische Musik präsentierten, erwartete die Besucher am Mittag die wesentlich rockigeren Lord of the Lost und Merciful Nuns. Insgesamt waren Rock und Elektro in diesem Jahr die vorrangig vertretenen Musik-Genres auf dem Blackfield-Festival. Der Mittelalter-Anteil der Bands war deutlich geringer als sonst. Vor Allem der Mittelaltermarkt vor dem Gelände deckte dieses Genre für die Besucher ab. Aus kulinarischer Sicht eine gute Wahl – sowohl der angebotene Flammkuchen, als auch die Rahmbrötchen boten eine köstliche Alternative zu Pizza, Bratwurst und Chinafutter auf dem Gelände. Aus der Perspektive des shoppingwilligen Festival-Besuchers gab es wenig Herausragendes - das übliche Angebot aus Lack-, Leder- und Samtklamotten, Korsetts, Schmuck und Band-Merch. Außergewöhnlich war dagegen ein Stand, der in Deutschland handgefertigte Holz-Dildos anbot. Wie viel Umsatz dort wohl gemacht worden ist, ist unbekannt. Für die Raucher gab es auch in diesem Jahr wieder einen Stand von Pueblo. Die fleißigen Jungs und Mädels versorgten das Publikum das ganze Wochenende über mit Zigaretten, Feuerzeugen und Pueblo-Merch. Nach dem verschärften Nichtraucherschutzgesetz ein noch geschätzterer Service als die Jahre zuvor.
Am Nachmittag wurde dann Tom Lesczenski von SITD langsam aber sicher immer nervöser. Und das, obwohl die Shadows in the Dark schon seit 17 Jahren im Geschäft sind. Im Interview erzählte er, dass ein Auftritt in seiner Heimatstadt Gelsenkirchen für ihn immer wieder etwas ganz besonderes ist und er wesentlich mehr Lampenfieber hat, als vor anderen Shows. „Einfach weil es Heimat ist, will man hier nicht versagen. Man will
hier den perfekten Gig.“ Die Nervosität sah man ihm und den anderen beiden Bandmitgliedern auf der Bühne aber nicht im Geringsten an. Die drei Herren von SITD trugen selbstbewusst Einheitsdress: Schwarzes Shirt mit einem Bundesadler, in dessen Mitte das SITD-Logo zu sehen ist. Sänger Carsten Jacek gab alles auf der Bühne, das Publikum antwortete mit Begeisterung - sang jeden Clubhit mit. Auch Tom Lesczenski
ließ es sich nicht nehmen, einen Song zu singen. Zum ersten Mal auf dem Blackfield spielten SITD ihre Cover-Version von „Papillon“. Die Zuschauer bejubelten den quer über die Bühne tanzenden Tom.
Nach 45 Minuten war Schluss. Bei 26 Bands bekommt das Publikum zwar eine große Auswahl verschiedene Bands präsentiert, aber jede einzelne hat natürlich deutlich weniger Zeit, als auf einem Konzert. Bei manchen Bands durchaus schade...
Im Anschluss spielten Zeromancer – leider mit technischen Einschränkungen, deswegen aber nicht schlechter. Sänger Alex Moklebust entschuldigte sich mit dem Aufruf, nicht mit Air Berlin zu fliegen. Auf dem Weg nach Gelsenkirchen wäre bei der Airline einiges an Equipment verschwunden.
Mit vollständigem Equipment, aber technischen Störungen startete die wohl mit am
Meisten Spannung erwartete Show des Wochenendes - die von Samsas Traum. 2011 hatte Sänger Alexander Kaschte angekündigt, nicht wieder auftreten zu wollen. Aber da war noch eine Rechnung mit dem Blackfield-Publikum offen. 2008 hatten Samsas Traum zuletzt auf dem Blackfield gespielt – mit ihrem Metal-Album. Die meisten Zuschauer hatten wohl eine gänzlich andere Show erwartet – man war damals bitter enttäuscht. Jetzt konnten Samsas Traum nochmal neu starten – und das eben direkt mit einem Patzer. Während des ersten Songs fielen der Computer und das Metronom des Schlagzeugers aus - der Sänger ließ den Song abbrechen und nutzte die Zeit für eine Ansage: „Beim letzten Mal haben wir ja ne tolle Show gespielt, oder?“ Dann gab es Geschenke fürs Publikum. Sänger Alexander warf Shirts mit dem Aufdruck „Ich hasse Alexander Kaschte“
ins Publikum und um die Versöhnung mit dem Publikum perfekt zu machen kam danach: „Jetzt kommt, lange überfällig „Für immer““. Die Zuschauer zeigten sich milde und versöhnlich und feierten auf die lang erwarteten Hits von Samsas Traum.
Co-Headliner des Samstags waren die Szene-Urgesteine Project Pitchfork. Auf die hatte sich Tom von SITD schon im Vorfeld gefreut. Tom im Interview: „Wenn man uns fragt, wer SITD dazu inspiriert hat, Musik zu machen, dann sind das Project Pitchfork. Das sind einfach Vorbilder.“ Und dass sie Profis sind, zeigten Project Pitchfork dann auch auf der Bühne. Mit drei Schlagzeugen war die Bühne prall gefüllt, trotzdem schaffte es Sänger Peter Spilles, quer über die Bühne zu hechten, um die Zuschauer zu unterhalten. Mitten im Auftritt schien es Peter aber nicht mehr so gemütlich auf der Bühne zu sein. Die Sonne blendete. Also ließ er sich kurzerhand eine Sonnenbrille aus dem Publikum reichen. Näher dran geht es doch kaum. Natürlich ging die Brille später an ihren Besitzer zurück.
Der Abend endete mit einer ebenso alten Band wie Project Pitchfork - And One. Vielleicht eine der letzten Gelegenheiten, die Band in Aktion zu sehen – And One hatten zuvor angekündigt, zu ihrem 25jährigen Jubiläum im nächsten Jahr aufzuhören. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum das Amphi-Theater bei And One brechend voll war. Ein anderer wird der für seine Entertainment-Künste bekannte Sänger Steve Naghavi gewesen sein. Wie angestochen rannte er über die Bühne, zog Grimassen, tanzte den Dave Gahan und quatschte mit dem Publikum. Leider kennen viele Festivalbesucher von vielen Bands nur
die bekanntesten Stücke – das war auch bei And One zu spüren. Die anfänglich gespielten weniger bekannten Lieder sorgten für wenig Wirbel unter den Zuschauern. Im Gegensatz dazu war bei Hits wie „Metallhammer“ oder „Traumfrau“ kein Halten mehr, das ganze Amphi-Theater war in Bewegung. Da war es schade, dass um 23 Uhr Schluss sein musste.
SONNTAG
Das Wetter zeigte sich am dritten Festival-Tag von seiner besten Seite – die Sonne schien fast den ganzen Tag und ließ die Festival-Besucher noch einmal ihre schönsten Outfits und ihre verbrannte Haut präsentieren. Spätestens bei Neuroticfish hatten die meisten ausgeschlafen und sich aufgehübscht. Die Band hatte sich 2008 aufgelöst und war erst im letzten Jahr wieder zusammen gekommen.
Am Nachmittag spielte dann die Combo Fixmer / Mc Carthy. Der Auftritt war solide, ein klassischer Mc Carthy, leider wenig spektakulär. Terence Fixmer kam von seinen Plattentellern nicht weg, Douglas Mc Carthy konnte das leider nicht alleine ausgleichen. Da hätte man sich mehr Leute auf der Bühne gewünscht.
Dann kamen endlich Rotersand, eine Band, auf die sich schon im Vorfeld viele Besucher gefreut hatten. Nach den gesundheitlichen Problemen von Sänger Rascal Nikov hatte die Band nur auf dem Mera Luna 2012 gespielt. Und jetzt waren sie nur noch zu Zweit.
Krischan Wesenberg im Interview: „Ich bin schon nervös. Es ist einfach eine ganz neue Situation. Wenn man davon ausgeht, dass der Sänger so 70 Prozent der Aufmerksamkeit bekommt, dann liegen die anderen 30 Prozent jetzt alleine bei mir. Da gibt es weniger Luft zum Verstecken. Es ist ohnehin anders als bei den anderen Auftritten - selbst wenn Gunther nicht fehlen würde. Die Atmo vom Unterwegs-sein fehlt. Man schläft zu Hause, duscht in der eigenen Dusche und trinkt wie immer den morgendlichen Kaffee in der eigenen Küche. Man hat nicht das Gefühl, zu einer Show zu gehen. Das macht es zu einer besonderen Herausforderung."
Auf der Bühne angekommen, wirkten Rotersand, wenn auch weniger stark besetzt, bester Laune und unterhaltend wie immer. Sänger Rascal, der sich selbst gerne als das Tanzmariechen der Band bezeichnet, performte wie eh und je. Er tanzte, hüpfte und fragte immer wieder: „Seid Ihr noch gerne hier?“ Die Zuschauer antworteten mit Jubelrufen, Klatschen und erhobenen Händen. Dann fehlte Gunther doch kurz auf der Bühne. Bei dem Song „War on Error“, bei dem er üblicherweise mit einer Maske vorne auf der Bühne stand und seinen Text vortrug, kam es diesmal vom Band. - Der vordere Teil der Bühne blieb leer. Weil Krischan den Moment nutzte, um zu Rauchen und Rascal Hunger auf Banane verspürte. Ein amüsanter Anblick. Wir sind gespannt, was die beiden sich beim nächsten Mal ausdenken.
Co-Headliner des Abends waren Mono Inc. Vor zwei Jahren noch im Nachmittags-Programm überzeugten die Hamburger auch mit einer größeren Show. Besonderes Highlight bei dieser Band ist immer wieder Schlagzeugerin Katha Mia, die mit Korsett und Kleid am Schlagzeug in die Becken schlägt, während sie den kompletten Background-Gesang übernimmt. Übertroffen wurde sie in diesem Jahr von dem „Special-Guest“ Joachim Witt, der plötzlich mit Mono Inc. auf der Bühne stand und den gemeinsamen neuen Song „Kein Weg zu weit“ performte. Eine echte Überraschung. Die Stimmung während des Mono Inc-Auftritts war aufgekocht, die Menge tanzte und feierte und einige dürften auch entzückt gewesen sein, dass Joachim Witt nach dem Gig noch für Fotos mit den Fans bereit stand.
Das große Abschluss-Konzert des diesjährigen Blackfield-Festivals gaben Eisbrecher. Von den Jungs erwartet man ja schon im Vorfeld einiges – nicht nur wegen der TV-Bekanntheit des Sängers. Und das lieferten sie auch ab. Zu Beginn kam Sänger Alexander Wesselsky mit Cowboy-Hut und einer Rose im Mund auf die Bühne, um letztere dann im Publikum an einen beglückten weiblichen Fan zu verschenken. Die darauf folgende Show war alleine aus Lichteffekt-technischen Gründen überaus beeindruckend. Die Bühne erstrahlte und ließ die Band in Flammen und in einem Lichtermeer aufgehen. Nicht nur Sänger Alexander Wesselsky gab alles. Lead-Gitarrist Jochen Seibert und Gitarrist Jürgen Plangger waren in ihrer Performance absolut sehenswert. Zum Song „Heilig“ wurde es dann auch noch richtig voll auf der Bühne. Mitten im Lied kamen als Nonnen verkleidete Damen auf die Bühne, jeweils eine Fackel tragend. Einzig von denen hätte man mehr erwartet, als dass sie nur die Bühne kommen und dort stehen bleiben. Aber die Band fing auch das wieder auf. Mit Fässern, auf denen Sänger und Gitarristen in einem Song trommelten oder den Nebelkanonen, die die Band in einen undurchsichtigen Schleier hüllten. Kleine, aber amüsante Aktion: Sänger Alexander holte eine Bayern-Flagge auf die Bühne und präsentierte diese dem Publikum. Die Zuschauer buhten ihn aus, worauf er lachte, die Flagge in die Menge schmiss und anschließend die Fans mit den Worten „Aber ihr nehmt sie doch“ verspottete, die sich auf die Flagge warfen. Kurz vor 11 waren die Eisbrecher-Jungs fertig, wollten sich von
der Bühne verabschieden. Das volle Amphi-Theater stand geschlossen gegen die Verabschiedung und so ließen sich Eisbrecher doch noch zu einem letzten Song hinreißen. Dann war wirklich Schluss. Bis zum nächsten Jahr.
Und um den werten Herrn aus Berlin noch einmal aufzugreifen: „Ist Gelsenkirchen eigentlich eine Stadt oder eher ein Ort?“ Tom Lesczenski hat darauf eine Antwort: „Gelsenkirchen ist eine Stadt – und zwar eine Schöne!“
Der Gedanke vieler Arbeitstätiger Festivalbesucher wird eher gewesen sein: Warum fangen die freitags so früh an? Wie soll ich das denn schaffen? Dementsprechend gering fiel der Ansturm bei der Bändchen-Vergabe um 16 Uhr aus. Die erste Band Full Contact 69 hatte damit einen schweren Start. Dazu kam das schlechte Wetter, was viele Besucher sicherlich auch noch ein bisschen im Trockenen warten ließ, bevor man das Amphi Theater in Gelsenkirchen aufsuchte. Bei Coppelius, der nächsten Band wurde es dagegen schon etwas voller. Wer Videos von Coppelius kennt, wird die Jungs in ihren historischen Kostümen und verrückten Rollen wiedererkannt und überzeugend gefunden haben.
Spätestens bei Blutengel, dem Headliner des ersten Tages, hatte auch jeder endlich Feierabend - das Amphi Theater war ziemlich voll. An der Show von Blutengel mag das nur bedingt gelegen haben. Die musikalische Leistung war erwartbar solide, die Performance der drei tanzenden Damen auf der Bühne dagegen eher weniger beeindruckend, mehr als drei sich immer wiederholende Tanzschritte wäre den Damen zuzutrauen gewesen. Auch die eingesetzten Feuerfächer konnten die eher lasche Darbietung nicht überzeugender gestalten. Kitschiges Detail: Wer genau hingesehen hat, konnte auf der Rückseite von Chris Pohls Jacke in schwarzen Strass-Steinen „Blutengel“ lesen. Alles in Allem erst einmal eine sehr vorhersehbare und übliche Show von Blutengel. Wäre da nicht der zarte Fauxpas von Pohl gewesen: „Ist Gelsenkirchen eigentlich eine Stadt oder eher ein Ort?“. Eine Frage, die nicht nur den eingefleischten Schalke-Fan ungnädig stimmte. Aber woher soll der feine Herr aus Berlin das schon wissen?
Mit der ersten Aftershow-Party im Bändchenvergabe-/Autogrammstunden-/Party-Zelt ging der Festival-Tag zu Ende. Leider war die Musik im Zelt extrem leise. Lärmvorschriften der Stadt Gelsenkirchen sei Dank. Die Party-DJs gaben ihr Bestens, um die mangelnde Lautstärke mit guter Musik und bester Stimmung auszugleichen.
SAMSTAG
Der Samstag begann sowohl musikalisch als auch wettertechnisch vielversprechender als der Freitag - die Sonne schien so unerwartet heiß vom Himmel, dass die vorherrschende Hautfarbe gen Abend immer roter wurde. Möglicherweise hatte Tom Lesczenski von SITD das Wetter bestellt, um mit dem Rad zum Festivalgelände kommen zu können. Für den gebürtigen Gelsenkirchener sollte es schließlich um 15 Uhr 40 auf die Bühne gehen. Dazu später.
Ein frühes Highlight nach dem Auftakt von Formalin und Noyce TM war die amerikanische Band Aesthetic Perfection. Man hätte meinen können, dass drei Personen eine so große Bühne wie die im Amphi-Theater nur schwerlich hätten füllen können. Der Auftritt von Sänger Daniel Graves bewies schon beim ersten Song das Gegenteil. Stimm- und Performancegewaltig fegte er über die Bühne, als hätte er nie etwas Anderes getan.
Selbst das Outfit war für den Auftritt bei Tageslicht perfekt gewählt – mit weißem Hemd, schwarzer Weste und einem weißgeschminkten Gesicht mit einem schwarzen Handabdruck auf dem Mund wirkte er auf den ersten Blick wie ein skurriler Pantomime. Auf den zweiten Blick hätte er sich aber nicht besser auf der rein schwarzen Bühne in Szene setzen können. Dummerweise begrüßte er die Zuschauer nach dem ersten Song mit „Hallo Leipzig“. Das hätte Chris Pohl sicherlich gefallen, Daniel Graves war das aber sichtlich peinlich. Auf Deutsch entschuldigte er sich ausführlich. Das Publikum zeigte sich
gnädig und so konnte die leider viel zu kurze, sehr überzeugende Show weitergehen. Nach nur einer halben Stunde Spielzeit mussten Aesthetic Perfection schon für die nächste Band Platz machen. Eine spätere Platzierung mit mehr Spielzeit wäre wünschenswert gewesen.
Nachdem die ersten drei Bands des Tages rein elektronische Musik präsentierten, erwartete die Besucher am Mittag die wesentlich rockigeren Lord of the Lost und Merciful Nuns. Insgesamt waren Rock und Elektro in diesem Jahr die vorrangig vertretenen Musik-Genres auf dem Blackfield-Festival. Der Mittelalter-Anteil der Bands war deutlich geringer als sonst. Vor Allem der Mittelaltermarkt vor dem Gelände deckte dieses Genre für die Besucher ab. Aus kulinarischer Sicht eine gute Wahl – sowohl der angebotene Flammkuchen, als auch die Rahmbrötchen boten eine köstliche Alternative zu Pizza, Bratwurst und Chinafutter auf dem Gelände. Aus der Perspektive des shoppingwilligen Festival-Besuchers gab es wenig Herausragendes - das übliche Angebot aus Lack-, Leder- und Samtklamotten, Korsetts, Schmuck und Band-Merch. Außergewöhnlich war dagegen ein Stand, der in Deutschland handgefertigte Holz-Dildos anbot. Wie viel Umsatz dort wohl gemacht worden ist, ist unbekannt. Für die Raucher gab es auch in diesem Jahr wieder einen Stand von Pueblo. Die fleißigen Jungs und Mädels versorgten das Publikum das ganze Wochenende über mit Zigaretten, Feuerzeugen und Pueblo-Merch. Nach dem verschärften Nichtraucherschutzgesetz ein noch geschätzterer Service als die Jahre zuvor.
Am Nachmittag wurde dann Tom Lesczenski von SITD langsam aber sicher immer nervöser. Und das, obwohl die Shadows in the Dark schon seit 17 Jahren im Geschäft sind. Im Interview erzählte er, dass ein Auftritt in seiner Heimatstadt Gelsenkirchen für ihn immer wieder etwas ganz besonderes ist und er wesentlich mehr Lampenfieber hat, als vor anderen Shows. „Einfach weil es Heimat ist, will man hier nicht versagen. Man will
hier den perfekten Gig.“ Die Nervosität sah man ihm und den anderen beiden Bandmitgliedern auf der Bühne aber nicht im Geringsten an. Die drei Herren von SITD trugen selbstbewusst Einheitsdress: Schwarzes Shirt mit einem Bundesadler, in dessen Mitte das SITD-Logo zu sehen ist. Sänger Carsten Jacek gab alles auf der Bühne, das Publikum antwortete mit Begeisterung - sang jeden Clubhit mit. Auch Tom Lesczenski
ließ es sich nicht nehmen, einen Song zu singen. Zum ersten Mal auf dem Blackfield spielten SITD ihre Cover-Version von „Papillon“. Die Zuschauer bejubelten den quer über die Bühne tanzenden Tom.
Nach 45 Minuten war Schluss. Bei 26 Bands bekommt das Publikum zwar eine große Auswahl verschiedene Bands präsentiert, aber jede einzelne hat natürlich deutlich weniger Zeit, als auf einem Konzert. Bei manchen Bands durchaus schade...
Im Anschluss spielten Zeromancer – leider mit technischen Einschränkungen, deswegen aber nicht schlechter. Sänger Alex Moklebust entschuldigte sich mit dem Aufruf, nicht mit Air Berlin zu fliegen. Auf dem Weg nach Gelsenkirchen wäre bei der Airline einiges an Equipment verschwunden.
Mit vollständigem Equipment, aber technischen Störungen startete die wohl mit am
Meisten Spannung erwartete Show des Wochenendes - die von Samsas Traum. 2011 hatte Sänger Alexander Kaschte angekündigt, nicht wieder auftreten zu wollen. Aber da war noch eine Rechnung mit dem Blackfield-Publikum offen. 2008 hatten Samsas Traum zuletzt auf dem Blackfield gespielt – mit ihrem Metal-Album. Die meisten Zuschauer hatten wohl eine gänzlich andere Show erwartet – man war damals bitter enttäuscht. Jetzt konnten Samsas Traum nochmal neu starten – und das eben direkt mit einem Patzer. Während des ersten Songs fielen der Computer und das Metronom des Schlagzeugers aus - der Sänger ließ den Song abbrechen und nutzte die Zeit für eine Ansage: „Beim letzten Mal haben wir ja ne tolle Show gespielt, oder?“ Dann gab es Geschenke fürs Publikum. Sänger Alexander warf Shirts mit dem Aufdruck „Ich hasse Alexander Kaschte“
ins Publikum und um die Versöhnung mit dem Publikum perfekt zu machen kam danach: „Jetzt kommt, lange überfällig „Für immer““. Die Zuschauer zeigten sich milde und versöhnlich und feierten auf die lang erwarteten Hits von Samsas Traum.
Co-Headliner des Samstags waren die Szene-Urgesteine Project Pitchfork. Auf die hatte sich Tom von SITD schon im Vorfeld gefreut. Tom im Interview: „Wenn man uns fragt, wer SITD dazu inspiriert hat, Musik zu machen, dann sind das Project Pitchfork. Das sind einfach Vorbilder.“ Und dass sie Profis sind, zeigten Project Pitchfork dann auch auf der Bühne. Mit drei Schlagzeugen war die Bühne prall gefüllt, trotzdem schaffte es Sänger Peter Spilles, quer über die Bühne zu hechten, um die Zuschauer zu unterhalten. Mitten im Auftritt schien es Peter aber nicht mehr so gemütlich auf der Bühne zu sein. Die Sonne blendete. Also ließ er sich kurzerhand eine Sonnenbrille aus dem Publikum reichen. Näher dran geht es doch kaum. Natürlich ging die Brille später an ihren Besitzer zurück.
Der Abend endete mit einer ebenso alten Band wie Project Pitchfork - And One. Vielleicht eine der letzten Gelegenheiten, die Band in Aktion zu sehen – And One hatten zuvor angekündigt, zu ihrem 25jährigen Jubiläum im nächsten Jahr aufzuhören. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum das Amphi-Theater bei And One brechend voll war. Ein anderer wird der für seine Entertainment-Künste bekannte Sänger Steve Naghavi gewesen sein. Wie angestochen rannte er über die Bühne, zog Grimassen, tanzte den Dave Gahan und quatschte mit dem Publikum. Leider kennen viele Festivalbesucher von vielen Bands nur
die bekanntesten Stücke – das war auch bei And One zu spüren. Die anfänglich gespielten weniger bekannten Lieder sorgten für wenig Wirbel unter den Zuschauern. Im Gegensatz dazu war bei Hits wie „Metallhammer“ oder „Traumfrau“ kein Halten mehr, das ganze Amphi-Theater war in Bewegung. Da war es schade, dass um 23 Uhr Schluss sein musste.
SONNTAG
Das Wetter zeigte sich am dritten Festival-Tag von seiner besten Seite – die Sonne schien fast den ganzen Tag und ließ die Festival-Besucher noch einmal ihre schönsten Outfits und ihre verbrannte Haut präsentieren. Spätestens bei Neuroticfish hatten die meisten ausgeschlafen und sich aufgehübscht. Die Band hatte sich 2008 aufgelöst und war erst im letzten Jahr wieder zusammen gekommen.
Am Nachmittag spielte dann die Combo Fixmer / Mc Carthy. Der Auftritt war solide, ein klassischer Mc Carthy, leider wenig spektakulär. Terence Fixmer kam von seinen Plattentellern nicht weg, Douglas Mc Carthy konnte das leider nicht alleine ausgleichen. Da hätte man sich mehr Leute auf der Bühne gewünscht.
Dann kamen endlich Rotersand, eine Band, auf die sich schon im Vorfeld viele Besucher gefreut hatten. Nach den gesundheitlichen Problemen von Sänger Rascal Nikov hatte die Band nur auf dem Mera Luna 2012 gespielt. Und jetzt waren sie nur noch zu Zweit.
Krischan Wesenberg im Interview: „Ich bin schon nervös. Es ist einfach eine ganz neue Situation. Wenn man davon ausgeht, dass der Sänger so 70 Prozent der Aufmerksamkeit bekommt, dann liegen die anderen 30 Prozent jetzt alleine bei mir. Da gibt es weniger Luft zum Verstecken. Es ist ohnehin anders als bei den anderen Auftritten - selbst wenn Gunther nicht fehlen würde. Die Atmo vom Unterwegs-sein fehlt. Man schläft zu Hause, duscht in der eigenen Dusche und trinkt wie immer den morgendlichen Kaffee in der eigenen Küche. Man hat nicht das Gefühl, zu einer Show zu gehen. Das macht es zu einer besonderen Herausforderung."
Auf der Bühne angekommen, wirkten Rotersand, wenn auch weniger stark besetzt, bester Laune und unterhaltend wie immer. Sänger Rascal, der sich selbst gerne als das Tanzmariechen der Band bezeichnet, performte wie eh und je. Er tanzte, hüpfte und fragte immer wieder: „Seid Ihr noch gerne hier?“ Die Zuschauer antworteten mit Jubelrufen, Klatschen und erhobenen Händen. Dann fehlte Gunther doch kurz auf der Bühne. Bei dem Song „War on Error“, bei dem er üblicherweise mit einer Maske vorne auf der Bühne stand und seinen Text vortrug, kam es diesmal vom Band. - Der vordere Teil der Bühne blieb leer. Weil Krischan den Moment nutzte, um zu Rauchen und Rascal Hunger auf Banane verspürte. Ein amüsanter Anblick. Wir sind gespannt, was die beiden sich beim nächsten Mal ausdenken.
Co-Headliner des Abends waren Mono Inc. Vor zwei Jahren noch im Nachmittags-Programm überzeugten die Hamburger auch mit einer größeren Show. Besonderes Highlight bei dieser Band ist immer wieder Schlagzeugerin Katha Mia, die mit Korsett und Kleid am Schlagzeug in die Becken schlägt, während sie den kompletten Background-Gesang übernimmt. Übertroffen wurde sie in diesem Jahr von dem „Special-Guest“ Joachim Witt, der plötzlich mit Mono Inc. auf der Bühne stand und den gemeinsamen neuen Song „Kein Weg zu weit“ performte. Eine echte Überraschung. Die Stimmung während des Mono Inc-Auftritts war aufgekocht, die Menge tanzte und feierte und einige dürften auch entzückt gewesen sein, dass Joachim Witt nach dem Gig noch für Fotos mit den Fans bereit stand.
Das große Abschluss-Konzert des diesjährigen Blackfield-Festivals gaben Eisbrecher. Von den Jungs erwartet man ja schon im Vorfeld einiges – nicht nur wegen der TV-Bekanntheit des Sängers. Und das lieferten sie auch ab. Zu Beginn kam Sänger Alexander Wesselsky mit Cowboy-Hut und einer Rose im Mund auf die Bühne, um letztere dann im Publikum an einen beglückten weiblichen Fan zu verschenken. Die darauf folgende Show war alleine aus Lichteffekt-technischen Gründen überaus beeindruckend. Die Bühne erstrahlte und ließ die Band in Flammen und in einem Lichtermeer aufgehen. Nicht nur Sänger Alexander Wesselsky gab alles. Lead-Gitarrist Jochen Seibert und Gitarrist Jürgen Plangger waren in ihrer Performance absolut sehenswert. Zum Song „Heilig“ wurde es dann auch noch richtig voll auf der Bühne. Mitten im Lied kamen als Nonnen verkleidete Damen auf die Bühne, jeweils eine Fackel tragend. Einzig von denen hätte man mehr erwartet, als dass sie nur die Bühne kommen und dort stehen bleiben. Aber die Band fing auch das wieder auf. Mit Fässern, auf denen Sänger und Gitarristen in einem Song trommelten oder den Nebelkanonen, die die Band in einen undurchsichtigen Schleier hüllten. Kleine, aber amüsante Aktion: Sänger Alexander holte eine Bayern-Flagge auf die Bühne und präsentierte diese dem Publikum. Die Zuschauer buhten ihn aus, worauf er lachte, die Flagge in die Menge schmiss und anschließend die Fans mit den Worten „Aber ihr nehmt sie doch“ verspottete, die sich auf die Flagge warfen. Kurz vor 11 waren die Eisbrecher-Jungs fertig, wollten sich von
der Bühne verabschieden. Das volle Amphi-Theater stand geschlossen gegen die Verabschiedung und so ließen sich Eisbrecher doch noch zu einem letzten Song hinreißen. Dann war wirklich Schluss. Bis zum nächsten Jahr.
Und um den werten Herrn aus Berlin noch einmal aufzugreifen: „Ist Gelsenkirchen eigentlich eine Stadt oder eher ein Ort?“ Tom Lesczenski hat darauf eine Antwort: „Gelsenkirchen ist eine Stadt – und zwar eine Schöne!“
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