ROLLFELD DER FINSTERNIS FESTIVAL 2009 - Bericht
Bericht zum ROLLFELD DER FINSTERNIS 2009
Der "Tag der toten Ratte" oder wie setze ich ein Festival in den Sand Alles kann so einfach sein – ist es aber dann doch nicht. Man nehme eine coole Location, haut kräftig auf die Werbetrommel, lockt beliebte Bands und sichert so allen ein schönes Wochenende. Nicht so beim Rollfeld des Grauens – oder hieß es doch Rollfeld der Finsternis? Egal, aber ein erstes Beispiel für eine katastrophale Marketingstrategie. Großenhain / Sachsen - Flugplatz
11.-12.09.2009
11.-12.09.2009
Konzertfotos: Tine - Christin Kersten
Doch fangen wir von vorn an. „Wo liegt eigentlich Großenhain?“ fragte ich mich vor einigen Wochen. Ah, in der Nähe von Dresden. Ja, dann könnte man dort wirklich mal hin, immerhin bekommt man die Chance auf ein 90minütiges Mono Inc.-Set. Also düsen Fotomaus Tine und ich an diesem wunderschönen Samstag Richtung Großenhain. Als wir ankommen, gibt es zunächst Probleme mit den Pässen – es gab nämlich keine mehr. Toll! Also sollten wir den ganzen lieben Tag (irgendwann wurde doch Nachschub geordert und wir wurden wenigstens mit einem Bändchen versorgt) mit einem Zettel in der Hose rumlaufe, der uns als Presse ausweist.
Der erste Schock trifft uns beim Blick auf den Campingplatz. Bei optimaler Auslastung würde dieser sicherlich Platz für 7.000 bis 10.000 Gästen bieten. Hier und heute stehen sieben Autos und zehn Zelte!!!! Wie kann man sich nur so verzocken? Auch auf dem viel zu großen Festivalgelände zeigt sich der Größenwahn und die bittere Realität. Zwei Bühnen – über 20 Bands und vielleicht zweihundert zahlende Gäste. Das ist wirklich das Rollfeld des Grauens. Während gerade die METALLSPÜRHUNDE für Ärger auf der Bühne sorgen und ihre unterhaltsamen Hassbatzen in die kleine Meute wüten, zählen wir mehr Fotografen im Graben als Personen in der ersten Reihe. Sänger Michel fragst sich wo die Leute sind und ob hier wirklich alle weggezogen wären. Köstlich. Die Schweizer liefern einen prima Gig ab, der sogar mit dem Zitat des Tages aufwartet. „Was hat dich bloß so ruiniert?“ ist doch mal wirklich der Song dieses Festivals. Neben der guten Musik schau ich mir im Augenwinkel zwei Mädels auf einer Bierbank an, die sich gegenseitig die Ausschnitte fotografieren. Nicht schlecht – kann man mitmachen? Fotografin Tine und ich ziehen von dannen und schauen mal, was die kleine Bühne so hergibt. Ein weiteres Bild des Grauens: JANOSCH MOLDAU beendet gerade sein Set – mit fünf Leuten vor der Bühne. Oh my God! Mit DEADTRONIC wird es nun auch musikalisch traurig. Plumper EBM, der soviel mit Musik zu tun hat, wie ich mit Ballett. Also wenn Electronic irgendwann nur noch von solchen Bands verkörpert wird, dann ist es wirklich bald Dead. Fix weg hier und ab zu THE MURDEROUS MISTAKE. Nie gehört und doch wiedererkannt. Netter Goth-Rock strömt aus den Boxen, ohne jedoch völlige Ekstase auszulösen. Ich frage mich, wie ich mit Bands, die im Jahr 2008 ihre Live-Premiere in der Sixtina (Lokal in Leipzig) gegeben haben, zahlende Gäste anlocke möchte?! Und denjenigen der hier fürs Booking zuständig war, sollte man aus der Stadt jagen. Was haben COLD RUSH in diesem Line Up zu suchen? Ich bin begeisterter Metaller – aber passt dies zum diesem Festival? No way. Trotzdem, und vielleicht auch deshalb, klingt der Neo-Thrash mit einigen Hardcore-lastigen Elementen recht passabel und lockt zumindest mehr Leute vor die kleine Bühne, als ich es bisher von irgendeiner Band hier gesehen hätte. Gut 100 sind es diesmal – Respekt! Richtig schlimm wird es im Anschluss mit THE MYSTERY. Laut Promoflyer „The New Queen Of Metal“, erkennt man schon aus 50 Meter Entfernung den lustigen Doro-Klon. Großer Gott im Himmel – wie kann man jemanden zur Königin erklären, die auf Doro Pesch macht? Zehn Leute stehen zu Beginn vor der Bühne – warum nur? Das Wetter ist doch so schön, da kann man die Zeit doch besser nutzen. Schon den ganzen Tag sieht man diverse Menschen mit SCHATTENSPIELER-Oberteilen. Aha – hier ist also die Fanbase. Ich hatte die Ehre, ihr neues Album „Babel“ für das Legacy-Magazin zu reviewen und haben ihnen 7 von 15 Punkten gegeben. Nach diesem Auftritt, der an Belanglosigkeit nicht zu überbieten ist, würde ich mir wünschen, alle Ausgaben persönlich zu editieren. Eine krude Mischung aus Power Metal, immergleiche Theatralik, immergleicher Songaufbau. Warum bin ich nicht im Bett geblieben? Während auf der kleinen Bühne CYBERNETIC gefühlte zwei Stunden für den Technikaufbau brauchen, um wiederum plumpen EBM zu präsentieren, legen Mina Harker (dazu gleich mehr) schon los. Wer hört sich den so was überhaupt noch an? Jede Band klingt gleich und trägt die gleichen Frisuren – Entwicklungen gibt es nicht. dafür musikalische Gleichschaltung. Also rüber zu MINA HARKER, deren musikalische Unwichtigkeit mir schon auf der letzten Oomph!-Tour und auf dem M’era Luna vorgeführt wurde. Schlimm, schlimmer, Mina Harker. Kitschige Pop-Songs werden auf Goth getrimmt, schwarze Klamotten angezogen und schon haben wir die Shooting-Stars der Szene. Na zum Glück nicht. Wenn man sich fragt, warum die Schwarze Szene seit Jahren rückläufig und keine neuen Headliner-Bands abwirft, sei auf Mina Harker verwiesen. Besser den alten Mist immer wieder hören, als diese Möchtegern-Gruftis. Mir ist schlecht, also geh ich was Essen. Guten Hunger! Mit STAUBKIND wird es vor der Bühne endlich zumindest ein wenig voller. Während sich die Jungs rund um Mastermind Sven Manke beim Unheilig & Friends-Gig vor wenigen Wochen leicht nervös zeigten, können sie heute auf ganzer Linie überzeugen. Die butterweichen Melodien treffen punktgenau den Geschmack der Leute, die erstmalig so ein wenig Stimmung aufkommen lassen. Songs wie „Königin“ oder „Halt mich“ kommen prima an und bescheren dem Tag das erste Highlight. Mehrere Stufen zurück geht es bei ROZENCRANTZ. Zwar habe ich den Namen schon mal gehört, aber wer ist das? Im Web findet man nur eine Myspace-Seite, die einer Band in New York gehört. Das sind sie auf jeden Fall nicht. ( Korrekturanmerkung der Redaktion: Man beachte die Schreibweise und wird im Netz recht schnell fündig. - Danke an die Band für den netten Hinweis! )
Wer hat nur die Idee gehabt, so eine Combo an drittletzter Stelle zu platzieren? „Wo sind die ganzen Leute hin?“ Tja, der Fuchs hat sie nicht gefressen – soviel ist sicher. Die Musik ist eine Mischung aus old school Goth Rock, mit leichten britischen Nuancen. Nicht schlecht, aber kein Grund auf ein Festival zu gehen. Mein einziger Grund, hier heute aufzutauchen, folgt im Anschluss. MONO INC. haben mich spätestens mit ihrem neuen Album „Voices Of Doom“ endgültig überzeugt. Dennoch ist es auch bei Konzertbeginn nicht wirklich voll. Trotzdem steht wohl jeder Gast jetzt vor der Bühne und wippt im Takt beim Opener „This Is The Day“. Doch weil plötzlich auch die Technik streikt, beginnt man kurzerhand noch mal von vorn. Im Laufe des wirklich tollen 90minütigen Sets präsentieren uns die Hamburger auch einige der noch unveröffentlichten neuen Stücke, wie „Voices Of Doom“ und „Gothic Queen“. Diese kommen genauso gut an, wie alte Kracher Marke „Get Some Sleep“ oder das abschließende „In My Heart“. Ein überzeugender Auftritt, der schon wieder Lust macht auf die kommenden Shows als Support von ASP. Nachdem OOMPH! vor wenigen Tagen ihre Teilnahme wegen Krankheit absagen mussten, reagiert die Veranstalter blitzschnell und zogen die LETZTE INSTANZ aus dem Hut. Keine schlechte Wahl, denn die Nähe zu Dresden und die bekannte Live-Brillanz sollte eigentlich die Fans anlocken. Aber wer keine Werbung schiebt, der stirbt bekanntlich. Und so ist das Zelt auch nicht wirklich voll (es ist auch mittlerweile schon nach 1 Uhr und merklich kalt), als die Truppe die Bretter bestürmt. Gewohnt gekonnt spielen sie sich durch die 90 Minuten, als würden sie vor 30.000 Menschen spielen. Einige Pyros kommen auch zum Einsatz (den ersten Pyroeinsatz gab es bereits beim Soundcheck – köstlich) und so rocken die Instanzler mit den gewohnten Hits Marke „Flucht ins Glück“, „Wir sind allein“ oder „Rapunzel“ noch ein letztes Mal das Rollfeld des Grauens. Kurz vor halb drei ist der Spuk vorbei. Fazit: Neben Mono Inc. und der Letzten Instanz gab es musikalisch nur Magerkost. Da muss man sich nicht wundern, dass ein solches Festival kein Selbstgänger wird. Ich hätte eigentlich nach dieser Pleite gedacht, dass es dieses Festival nie wieder gegen würde – doch oh Wunder. Es sind bereits jetzt schon die Daten für das nächste Jahr bekannt gegeben worden. Bezahlt dies ein Scheich? Fragen über Fragen...
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